Skip to main content

Führung: Zukunftsgestalterinnen im Dialog

Hallo Zukunftsgestalter*innen!

Was braucht es für eine gute Unternehmenszukunft? Starkes Kompetenzbewusstsein, Anpassungsfähigkeit und eine klare Vision sind nur einige der Zutaten, die zum Erfolg einer Organisation beitragen. Der Kern sind jedoch die Menschen. Eine zentrale Figur ist hier die Führungskraft. Wir können gar nicht sagen, wie oft wir in den letzten Jahren diesen Satz gelesen haben: „People don’t leave bad jobs. They leave bad leaders.“ Führung bedeutet Verantwortung und Einfluss. Beides kann positiv sein – oder fatale Folgen für die Arbeitsfähigkeit eines Unternehmens haben. Praktiken und Entscheidungen rund um Führung sind also die reinsten Zukunftsproduktionsmaschinen. Wer führt, nimmt Einfluss auf das, was vor uns liegt. Deswegen schauen wir in diesem Beitrag auf genau das: Führung.

Doch diesmal wählen wir einen persönlicheren, ungefilterten Ansatz. Statt Trend Practices aus aller Welt rund um Leadership zu sammeln, führen in diesem Newsletter Christiane (Pionierin der deutschen Zukunftsforschung und vor allem: Geschäftsführerin) und Vitalia (Zukunftsforscherin und vor allem: Mitarbeiterin) ein Gespräch. Und stellen sich die Fragen rund um Führung, die sie interessieren. Viel Spaß beim Lesen!

Vitalia: Wer war deine beste Chefin, Christiane?

Christiane: Um ehrlich zu sein, hatte ich nie eine Chefin…. als weibliche Führungskraft fällt mir höchstens meine Englisch-LK-Lehrerin ein, der es damals gelungen ist, einen sehr heterogenen Leistungskurs anspruchsvoll, auf Augenhöhe und humorvoll zu gestalten. Ich saß oft neben ihr und war entsetzt über die Unordnung in ihren Unterlagen. Sie ließ mich diese in Ordnung bringen. Das fand ich einen tollen Vertrauensbeweis. Ansonsten hatte ich als „Chefs” nur zwei Männer, von denen ich mich aber tatsächlich niemals geführt fühlte.

Vitalia: Und wie stellst du sicher, dass sich bei Zukunftsinstitut Workshop alle wertgeschätzt fühlen?

Christiane: Für mich gilt immer: Jede*r Mitarbeitende sollte ein Standbein und ein Spielbein haben. Das versuche ich schon seit 25 Jahren so zu praktizieren und je nach finanziellen Spielräumen auch durchzuhalten. D.h. ein Projekt, ein Format, ein Recherchethema kann, darf und soll verfolgt werden, auch wenn es nicht direkt Umsatz generiert: Das kann z.B. unser Format „Lunch before Innovation“ sein, Social-Media-Experimente oder die Konzeption von Kreativworkshops. Dieses Ausleben der individuellen Leidenschaften soll dazu beitragen, dass auch die Projekte unserer Kund*innen mit viel Energie durchgeführt werden.

Ich denke jedoch nicht, dass ich es immer schaffe, meine Wertschätzung allen zu jeder Zeit zu vermitteln. Am besten gelingt es mir, so denke ich, in den konkreten Projekten, die wir glücklicherweise in den unterschiedlichsten Konstellationen durchführen und dabei oft auf Reisen sind. Bei diesen Gelegenheiten nutze ich gern die Zeit für intensive Gespräche zu zweit. Und im Anschluss an die Projekte machen wir auch immer eine Retrospektive, bei der ich meine Wertschätzung mitteile, aber auch versuche, etwas zu finden, wo es noch Entwicklungspotenzial gibt.

Christiane: Vitalia, wenn du morgen meine Rolle übernehmen würdest, was wäre das erste, was du ändern würdest?

Vitalia: Ich würde in regelmäßigen Abständen feste Tage – oder gleich eine ganze Woche? – zum Durchatmen einführen. Unser Arbeitsalltag ist stark strukturiert durch die Projekte und Bedürfnisse unserer Kund*innen. Da wir uns aufgrund unserer Unternehmens-DNA dieser Bedürfnisse mit großer Leidenschaft annehmen, iterieren wir für unsere Workshops, Vorträge, Trendexpeditionen und gelegentlichen Forschungsprojekte in der Regel bis zur letzten Minute. Bis wir das Gefühl haben, die beste maßgeschneiderte Lösung entwickelt zu haben. Damit werden wir unseren Ansprüchen gerecht, unsere Kund*innen bestmöglich auf ihrem Weg in die Zukunft zu begleiten. In besonders auftragsstarken Phasen bedeutet das jedoch auch, dass wir uns in kürzester Zeit an die unterschiedlichsten Unternehmen, Menschen und Herausforderungen anpassen. Das fordert nicht nur kognitiv, sondern auch zwischenmenschlich. Deswegen sind jene Zeiten, in denen Erfolge gefeiert werden und verschnauft werden kann, besonders wichtig. Ich würde also damit experimentieren, diese Tage bewusst im Vorhinein im Kalender für alle freizuhalten und zu schauen, welchen Effekt das hätte.

Christiane: Welche Idee hättest du für ein Werkzeug, mit dem Mitarbeitende eine (drohende) Überforderung frühzeitig signalisieren können?

Vitalia: Ich glaube, dass ein Niko-Niko-Kalender, der als Tool auch bei unseren Kund*innen immer wieder Resonanz erzeugt, ein Werkzeug ist, das sehr barrierearm eingeführt werden kann. So kann man ganz ohne Worte Stimmungs- bzw. Gefühlslagen im Team sichtbar machen. Ich würde ihn allerdings so abändern, dass man nicht nur jeden Tag ein Emoji einfügt, dass die Stimmung suggeriert, sondern auch damit experimentieren, einen Tagesstart- und Feierabendvergleich zu visualisieren oder einen reinen Energielevel-Kalender zu führen.

Vitalia: Welche Rolle spielt Hierarchie für dich?

Christiane: Ich würde ja jetzt gerne sagen, wir haben keine Hierarchien, aber das stimmt natürlich so nicht ganz. Wir sind eine GmbH, es gibt zwei Inhaber*innen und bei größeren Projekten und Investitionen treffen wir die finalen Entscheidungen. Trotzdem treffen wir diese mit unseren Team. So haben beispielsweise bei unserem letzten Umzug alle Teammitglieder die neuen Räumlichkeiten vorher gesichtet. Sie wurden gefragt, ob sie diesem Umzug zustimmen. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten wir einen anderen Ort gesucht. Auch würde ich niemals einen Mitarbeitenden in ein Projekt „befehlen” wenn sich diese Person mit Thema oder Kund*in unwohl fühlt.

Christiane: Was fasziniert dich am meisten an einer holokratischen Führung?

Vitalia: Ohne absolute Holokratie-Expertin zu sein, haben die vielen holokratisch arbeitenden Trendpionier*innen, die ich während unserer Trendexpeditionen kennenlernen durfte, besonders deutlich gemacht, dass Holokratie zu einem gewissen Grad Führung durch Alle bedeutet. Die Teammitglieder in den ganz oder teilweise holokratisch arbeitenden Organisationen aus unserem Netzwerk scheinen allesamt grundlegende Führungsbereitschaft mitzubringen. Die Übernahme von Verantwortung bei gleichzeitiger Arbeit auf Augenhöhe ist dabei stets wesentlicher Kern der Kultur. Aus anderen Beratungsprojekten weiß ich, dass das nicht selbstverständlich ist und dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Team- oder Projektleitende unter ihren Mitarbeiter*innen zu finden. Da stellt sich mir die Frage, welche Führung ihnen vorgelebt wird bzw. welche anderen Dynamiken in diesen Unternehmen eine Führungsrolle als wenig erstrebenswert erscheinen lassen. Es kann natürlich auch eine Generationenfrage sein – wobei ich mich davor hüten würde, einer ganzen Generation einen Stempel des Nicht-Führen-Wollens aufzudrücken. Meine These ist vielmehr, dass die Generation, die jeweils neu auf den Arbeitsmarkt kommt, eine besonders starke Deklination des grundsätzlichen Zeitgeistes darstellt. Und wenn das heute u.a. heißt, dass Führung kein begehrenswertes Ziel darstellt, dann müssen wir uns fragen, warum das so ist und was wir ändern können. Holokratie kann da einen möglichen Rahmen bieten, mit dem Führen zu experimentieren.

Christiane: Welche besonderen Potenziale siehst du bei Kolleg*innen 50+? Was kannst du von ihnen lernen?

Vitalia: Ich liebe es, wenn du, Anna und Andreas von früher erzählt. Von den Anfängen der Zukunftsforschung, von den erfolgreichen und gescheiterten Experimenten während eurer unterschiedlichen Berufsstationen. Wenn ihr beim alljährlichen Office-Clean-up alte Publikationen hervorholt und die Geschichten dahinter erzählt. Ich glaube, dass man diese Erfahrungsschätze immer wieder heben, sie viel stärker nutzen sollte. Außerdem bringt Erfahrung häufig Souveränität mit sich, auf die ich mich freue, wenn ich mal 50+ sein sollte. 50+ bedeutet eben auch ein Riesenplus an Erfahrungen, an bewältigten Herausforderungen und ein Plus an Resilienz. Davon kann man lernen, wenn man sich dieser Perspektive öffnet und diesen Erfahrungen Raum gibt. Zugleich würde ich davor warnen, nur durch die Plus-Brille zu blicken. Genauso wenig wie junge Menschen stereotypisiert werden wollen, wollen dies ältere. Deswegen kann eine Person, die 50 Jahre und älter ist, immer noch so neugierig sein wie eine 20-jährige. Es braucht Organisationskontexte, die aufrichtiges interkollegiales Interesse und Entfaltung jenseits von starren Altersschubladen ermöglichen.

Vitalia: Was ist deiner Meinung nach die größte Zukunftsherausforderung, wenn es um Führung geht?

Christiane: Ich glaube tatsächlich, die größte Herausforderung wird es sein, als Führungskraft die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der verschiedenen Generationen unter einen Hut zu bringen und jedem einzelnen Menschen im Unternehmen eine Rolle zu geben, die es ihm wirklich ermöglicht, einen wertvollen Beitrag für das große Ganze zu leisten.

Was sind eure Gedanken zu Führung? Mit welchen Fragen in punkto Führung sollten Unternehmen sich beschäftigen, um sich zukunftsfit aufzustellen? Wir freuen uns wie immer über Anregungen und Feedback!

Eure Führungsforscher*innen von
Zukunftsinstitut Workshop