Skip to main content

Gibt es auch bei Regen WLAN?

Neue Arbeit, neue Arbeitsorte. In dieser Serie berichten wir von unseren Workation-Erfahrungen. Den Auftakt macht unsere Trendspotterin & Innovationsmanagerin Vitalia, die vier Wochen auf Teneriffa verbracht hat.

Einer Auflistung des Online-Magazins Quartz zufolge ist Teneriffa einer der 20 besten Orte weltweit, um dort als digitale Nomadin zu arbeiten. Diese Information habe ich erst kürzlich aufgespürt – nachdem ich bereits aus Teneriffa zurückgekehrt war.

Teneriffa, das war mein Aufenthaltsort im Januar und Februar 2022. Dort habe ich vier Wochen auf einer Biofinca in Güímar verbracht – einem untouristischen kleinen Ort, an dessen Aussprache ich mich selbst mit halbwegs sicheren Spanisch-Kenntnissen erst einmal herantasten musste. Ein anderer Begriff, an den ich mich herantasten musste, war der Grund für meine Reise: „Workation“. Der Neologismus (zusammengesetzt aus den Begriffen „Work“ und „Vacation“) ist derzeit in aller Munde. Wie ein Taucher erscheint er immer wieder an der Oberfläche meines LinkedIn-Feeds – jedes Mal mit neuen Erfahrungen der unterschiedlichsten Personen im Gepäck.

Bei Zukunftsinstitut Workshop beschäftigen wir uns täglich mit dem Wandel in der Gesellschaft. Damit, welche Trendsignale um uns herum auftauchen und welche neuen Bedürfnisse daraus resultieren. Wir betrachten Trend-Innovationen und sprechen mit den Menschen, die diese hervorbringen. Wir begleiten Organisationen durch diesen Wandel hindurch. Am allerliebsten jedoch probieren wir Trends selbst aus. Immersion ist die intensivste Form der Trendforschung, weil sie uns erleben und reflektieren, weil sie uns unterschiedliche Phasen durchlaufen lässt: vom ersten Zehen-ins-Wasser-Tauchen, das sich oftmals fremd oder gar befremdlich anfühlt. Über eine, zwei, drei, vier Reflexionsschleifen, die uns erlauben, die unterschiedlichen Facetten eines Trends zu verstehen. Bis hin zum kompletten Eintauchen in den Trend – manchmal gefolgt vom vorsichtigen Auf-Abstand-Gehen, manchmal aber auch gefolgt vom Mitgerissen-Werden, weil auch wir uns als Trendforscher*innen Trends nicht entziehen können (oder wollen). Weil auch wir Wandel erleben, prägen und gestalten.

Workation ist so ein Trend, auf den wir bei Zukunftsinstitut Workshop besonders neugierig waren. Wir arbeiteten bereits vor der Pandemie mobil, remote, aus diversen Home-, Lobby-, Balkon- und Zugoffices heraus. Deshalb haben allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 gleich drei von uns, Katja, Christiane und ich, diesen Trend ausprobiert. Im Mai, in dem wir den Megatrend New Work ins Zentrum unserer Zukunftsarbeit setzen, teilen wir unsere Erfahrungen rückschauend aus drei Perspektiven. Dies ist die erste – sie gliedert sich in acht kurze Learnings.

Learning 1: WLAN ist (fast) alles

Der schönste Arbeitsplatz in der Sonne bringt nichts, wenn man dort keine Mails abrufen kann. Deshalb habe ich vor der Buchung meiner Unterkunft meine Gastgeberin gebeten, einen Internet-Speedtest auf dem Gelände zu machen. Was ich außerdem hätte fragen sollen: Fliegt die Sicherung im historischen Gebäude jedes Mal raus und unterbricht so die WLAN-Verbindung, wenn es regnet? Für digitale Workshops waren meine Smartphone-Hotspots mit unbegrenztem Datenvolumen ein gutes Sicherheitspolster.

Learning 2: Neue Arbeit hat viele Gesichter

Die Biofinca beherbergte während meines Aufenthalts nicht nur mich, sondern immer wechselnde weitere Gäste. Die gemeinschaftliche Terrasse ermöglichte Abendessen in immer neuen Konstellationen mit immer neuen Menschen – und ihren Träumen vom neuen Arbeiten. Von der kanarischen Elternzeit, während der das Kind laufen lernt, über das niederländische Work-Away-Paar, das für seine Unterbringung arbeitet, den Segeltuch-Entrepreneur aus Leipzig, der am Esstisch sitzend sein Geschäftsmodell konzipierte und nebenher Sonnensegel für den Essbereich prototypte, bis zum tschechischen Psychologen, der von der Yoga-Dachterrasse aus seine tägliche Telefonberatung absolvierte, wurden mir immer neue Formen des Work-Life-Matchings vor Augen geführt.

Learning 3: Zufallsbegegnungen einplanen

Diese vielen Menschen mit ihren unterschiedlichen Geschichten haben den Blick über den eigenen Tellerrand ungemein erweitert. Ohne sie wäre meine Workation nur halb so spannend verlaufen.

Learning 4: Lieber nicht ins Erdgeschoss ziehen

So schön die zuvor beschriebenen Zufallsbegegnungen waren, so ablenkend konnten sie sein. Die Pool-Lage meines Studios brachte einen kontinuierlichen, über den Tag verteilten Fluss an freundlich gerufenen Hallo’s durch mein Schreibtischfenster mit sich. Der Umzug in den ersten Stock war die beste Entscheidung, die ich getroffen habe.

Learning 5: Neuer Ort, neue Erholung

Ich halte es kurz: Ich habe genauso viel gearbeitet wie in Deutschland. Doch der simple Tapetenwechsel sorgte für enorme Erholung. Wer es nicht glaubt, sollte es ausprobieren.

Learning 6: Rituale sind wichtig

Wer auch über große Distanz zusammenarbeiten will, muss das bewusst machen. So geht niemand in digitalen Workation-Weiten verloren. Macht einen Check-in. Macht einen Check-out. Das hilft.

Learning 7: Mehr ist mehr

An wie vielen Laptops sitzt ihr? An den Teil des Teams, der sich im Office aufhält: Es vermittelt der Person, die digital zugeschaltet ist, weniger Raum-Gefühl als ihr denkt, wenn ihr euch an einen Rechner stellt und die Webcam durchs Office schwenkt. Wählt euch lieber einzeln oder zu zweit in einen Call ein. So kann die Person, die sich an einem anderen Ort befindet, auch wirklich jede*n hören und gleichberechtigt am Gespräch teilnehmen. Gute Arbeit machen für mich die Menschen, nicht der Raum.

Learning 8: Es geht

Last but not least: Probiert es einfach aus. Liebe Führungskräfte, ihr habt nichts zu verlieren, wenn ihr euren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit gebt, Neues zu wagen. Seht neugierige, Trend-affine Menschen als Botschafter*innen des Wandels. Irgendjemand muss den Zeh ins Wasser tauchen, um schwimmen zu lernen. Und wer will nicht gerne schwimmen können, wenn die Tiefenströmungen des Wandels die Knöchel umspülen?

Über die Autorin 

Vitalia arbeitet seit 2019 bei der Zukunftsinstitut Workshop GmbH als Projektmanagerin für Innovation. In Workshops, auf Trendexpeditionen und während ihrer Vorträge unterstützt sie Organisationen dabei, die Brücke zwischen gesellschaftlichem Wandel und wirtschaftlichem Handeln zu schlagen. Während unseres monatlichen Mittagsformats Lunch before Innovation blickt sie regelmäßig über den eigenen Tellerrand. Seit 2020 ist sie Co-Director von Speculative Futures Frankfurt, der lokalen Dependance einer globalen Meetup Community, die sich auf die Arbeit und Praxis im Bereich des Speculative und Critical Design, Zukunftsforschung und Strategic Foresight fokussiert.